Kulturelle Abenteuer in Rumänien
September 2018
Auf der Schwelle zwischen Sommer und Herbst empfang uns die rumänische Hauptstadt Bukarest mit dem nostalgischen Flair vergangener Zeiten, gepaart mit einem kulturellen Angebot der Superlative.
Pünktlich zu unserer Ankunft wurde die aufwendige Musik- und Wasserballettshow an den Fontänen des kilometerlangen Boulevards der Vereinigung eingeweiht. Ein Fest der Sinne, dass vielleicht nur noch mit den Shows von Las Vegas zu vergleichen wäre!
Die breite Prachtstraße, die vom Parlamentspalast ausgeht – übrigens größtes Gebäude der Welt, nach dem Pentagon! – schien wie verzaubert im Licht der Tanzenden, blau beleuchteten Wasserstrahle zu schweben. Rod Steward, Enrico Masias und der berühmte Panflötenmusiker Gheorghe Zamfir – erinnern Sie sich an das Lied des einsamen Hirten aus dem Gangsterepos „Es war einmal in Amerika?“ – erschienen life auf der Freiluftbühne vor dem Parlament. Und das alles kostenlos!
Ähnlich wie eine Menge anderer Veranstaltungen die in diesem Jahr stattfinden, wurde auch diese gewaltige Aktion der Tatsache gewidmet, dass das Land 100 Jahre seit Entstehung feiert. Es folgten zahlreiche Theaterbesuche, Poesielesungen und Konzerte, viele davon im Freien, da sich die Temperaturen immer noch im sommerlichen Bereich um die 25-30 Grad Celsius aufhielten. Ich genoss dieses wahrhaftige Bad in allerlei Künste und traf mich, wie vereinbart, mit dem Freund und Kollegen Germain Droogenbroodt, der bereits seit einer Woche im Land verweilte und sich auf dem Internationalen Poesiefestival der Stadt Craiova mit viel guter Lyrik eingedeckt hatte.
Gerne fügten wir uns in das bunte Treiben ein und gaben unser Bestes auf den zwei Lesungen, die extra für uns angekündigt waren. Beide übertrafen unsere Erwartungen! Die erste fand am Montag, den 24. September im Kulturzentrum der Stadt Pitești statt. Zu unserem Erstaunen warteten dort auf uns auch viele junge Zuschauer. Ein gutes Zeichen für die Zukunft der Literatur! Aber auch gestandene Persönlichkeiten, wie ein rüstiger 98-jähriger Poet, der uns mit seiner Aufmerksamkeit ehrte, waren anwesend.
Als Einleitung genossen wir die Rede eines der hochangesehensten rumänischen Persönlichkeiten, Dr. Gheorghe Păun, Wissenschaftler der auch in Spanien durch sein jährliches Mathematiksymposium „P-Systems“ von Sevilla bekannt ist. Als Kulturförderer, Poesieliebhaber und „Akademiker in Jeans“ mit scharfem Verstand sprach er über die Macht der Poesie, Menschen in friedlichen Gedanken zu vereinen.
Genau das ist auch das Motto des flämischen Poeten Germain Droogenbroodt, der vielen von Ihnen durch die poetisch-musikalischen Sommerkonzerte aus Altea bekannt sein durfte. Germain und ich lasen vor unserem zusehends begeisterten Publikum, abwechselnd in Rumänisch, Flämisch, Französisch, Spanisch und Englisch eine Auswahl seiner schönsten Gedichte vor. Die Zuhörer wurden von Minute zu Minute aufmerksamer und man konnte regelrecht anhand ihrer Mimik und sogar ihres Mitatmens, Lachens und Applaudierens merken, wie gerührt sie waren. Die ganze Veranstaltung wurde auf You Tube von einem sehr professionellen Technikerteam aufgenommen und ins Internet gestellt. Für uns ein tolles Geschenk und eine wunderschöne, bleibende Erinnerung!
Am Tag darauf wiederholten wir die Lesung in Bukarest, auf dem bekannten Kulturzentrum Jean Louis Calderon. Völlig anders aufgebaut, empfing uns auch dieses Kulturhaus mit offenen Armen. Ich gebe zu, um das mit zahlreichen hochkarätigen internationalen Gästen verwöhnte Publikum der Hauptstadt hatten wir uns ein wenig Sorgen gemacht, doch unsere Ängste erwiesen sich als völlig unbegründet. Der Saal war voll und wir ernteten einen mindestens genauso großen Erfolg.
Inzwischen waren wir schon ein eingespieltes Team und Germains´ Stimme wurde so gerne gehört, dass man aus dem Publikum, trotz fehlenden Flämischkenntnissen, nach weiterem Vorlesen bat. Wir warben fleißig für eine bessere, in friedlichen Gedanken vereinte Welt und oft kam auch unsere Wahlheimat Spanien als Ankerpunkt unseres Vorhabens im Gespräch.
Zu unserem Überraschen wurden uns zwei Diplomen die uns zu „Botschafter der Kultur“ ernannten ausgehändigt. Im Anschluss lud man uns auf einem besonders angenehmen, lockeren Treffen mit Mitgliedern des Rumänischen Schriftstellervereins ein. Ein inspirierender Abschluss und sicherlich der Anfang einer langen Zusammenarbeit, in kulturellem Sinne. Wen soll es noch wundern, dass Germain bereits vor zwei Jahren durch seine zahlreichen Freunde, die er sich hierzulande gemacht hat, sogar für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde?
Als hätte jemand einen Schalter im Himmel umgelegt, fielen am nächsten Tag die Temperaturen um 20 Grad und der erfrischende Herbst trat ein. Melancholisch und ernüchternd zugleich wirkte sich das auf uns aus. Ein Zeichen, dass wir uns nicht zu lange auf den Lorbeeren des Ruhmes ausruhen dürfen.
Zurück aus Bukarest
Mit schwerem Gepäck, voller Bücher die uns geschenkt wurden, kehrten wir nach Spanien zurück und genießen jetzt die Wärme des Klimas und der Herzen unserer hiesigen Freunde. Ab sofort richten sich unsere Gedanken auf das baldige Treffen der CBN-Autoren vom 5. Oktober in La Nucia. Wir freuen uns auf weitere Begegnungen, die uns unter der Flagge der Künste vereinen.
Bukarest bleibt jedoch unvergesslich, mit seinem einmalig reichen Angebot an kulturellen Ereignissen. Aus der Ferne lockt schon die Hoffnung auf weitere Reisen dahin. Unsere Erfahrung zeigen, dass diese Stadt sehr wohl nicht nur den anderen europäischen Metropolen in Sachen Kultur gleichgestellt ist, sondern sie sogar in vielen Hinsichten übertrifft. Vivat Rumänien!
Gabriela Sonnenberg
Benissa, 1. Oktober 2018