Geschätzte Quadratchen – Drehbuchvorlage

Exposé

Hauptfiguren

Die Aktion spielt sich abwechselnd auf zwei Erzählungsebenen ab:
Die erste Ebene, die der Gegenwart, wird aus auktorialer Sicht, in dritter Person dargestellt. Die Hauptfigur auf dieser Ebene ist die junge Frau Mia, eine in New York lebende, aus Europa stammende, weltoffene, etwas oberflächige Redakteurin.

Die zweite Geschichte gehört der Vergangenheit und tritt in Roman als Manuskript auf, dessen Postempfängerin die junge Newyorkerin Mia ist. Das Manuskript trägt den Titel „Fast Alles was ich über Eli weiß“ und dessen Autorin nennt sich „Das Quadratchen“. Es enthält die Biographie einer ehemaligen, gemeinsamen Freundin namens Eli, die vor kurzem verstorben ist. Diese Biographie ist in persönlichem Stil erfasst (Ich-Erzählung), aus der Sicht der dem Leser unbekannten Schulkommilitonin. Die wahre Identität der Manuskriptverfasserin bleibt dem Leser über das ganze Buch verborgen.

Um ihr Leben wie gewohnt weiter zu führen, versucht die junge Amerikanerin Mia das Manuskript zu ignorieren, doch eine Reihe mehr oder weniger zufälligen Verkettungen, die ihren Alltag durcheinander wirbeln, zwingt sie, den Blick auf ihre längst verdrängte Vergangenheit zu richten. Sie kann das Manuskript nicht mehr zur Seite legen, es nimmt einen immer größeren Platz in ihrem Leben ein.

Langsam überschreitet das Manuskript die Grenzen einer einfachen Biographie und verwandelt sich in das verstörende, komplexe Spiegelbild einer gesamten Zeit und einer besonders heftig durchgerüttelten Generation, die Generation deren, in den Sechzigern geboren wurden. Zugleich ist es auch die Geschichte einer gescheiterten Freundschaft. Es entstehen viele Parallelen zu ähnlichen, zeitgenössischen Ereignissen.

Räumliche Rahmenbedingungen

Die Geschichte baut sich auf mehreren Plänen auf. Aus räumlicher Sicht gibt es eine horizontale, klassische Komponente, die die Hauptfiguren auf ihrem (Bildungs-) Weg aus der Heimatstadt in die Hauptstadt und später ins Ausland begleitet. Die Vertikale, etwas ungewöhnlich, dargestellt durch den unbändigen Drang zum Gipfelstürmen, fängt in den Karpaten an, wird über die Alpen weitergeführt und endet in den Himalaya. Gleichzeitig reifen die Mädchen zu vollendeten Persönlichkeiten, ihr jugendlicher Elan wird durch gesellschaftlichen Druck gedämpft. Die restriktive, kommunistische Freiheitsbegrenzung wird durch die manchmal falsch verstandenen Freiheiten des Kapitalismus und die Übertreibung der freien Marktwirtschaft ersetzt.

Auch die Freundschaft, ursprünglich als ewige Treue verstanden, weicht immer mehr den widrigen Umständen aus, wird wegen der geographischen, aber auch der kulturellen Entfernungen auf Probe gestellt. Die Fäden laufen also von Rumänien aus und verbinden sich über die Schweiz und Nepal, um später erstaunliche Übereinstimmungen in den USA und in einer demokratischen, vom Internet begünstigten Volksbewegung Afrikas zu finden.

Zeitrahmen

Der Zeitraum mit dem sich das Manuskript befasst beginnt einige Jahre vor dem Fall des Eisernen Vorhangs, in den Achtzigern. Die Bühne ist ein ganzes Land: Rumänien, wo eine grausame Diktatur herrscht. Inmitten einer hoffnungslosen Generation, ragt Eli als besonders begabtes und ehrgeiziges Mädchen heraus.

Aus der Sicht der damaligen Hauptverursacher der Revolution, der jungen Generation, wird dem Leser der Tumult des Umbruchs hautnah vermittelt. Der Öffnung in Richtung Westen folgt der begeisterte Versuch, sich dort zu behaupten. Die Konfrontation mit einer Welt für die man überhaupt nicht vorbereitet ist und in der man keineswegs willkommen geheißen wird ist vorprogrammiert.

Doch Dank ihrer ausgeprägten Intelligenz und ihres außergewöhnlich starken Charakters gelingt Eli dieser Kraftakt relativ gut. Der Leitfaden des Eli-Manuskriptes besticht durch jungenhaftem Elan und Optimismus, der jedem Beginn innewohnt, durch den Glauben an Gerechtigkeit, Risikobereitschaft und die Überzeugung, dass sich Wagemut immer irgendwann lohnt.

Gefolgt wird diese Etappe von einer ernüchternden Phase: die wahre Freundschaft und die ehrgeizigen ursprünglichen intellektuellen Ziele werden durch störende Faktoren des Alltags und durch enttäuschte Erwartungen verraten. Die hässliche, opportunistische Seite der Anpassung zeigt sich immer öfter, die Suche nach einem klaren Wertesystem, mit stabilen, ethischen Pfeiler bleibt auf der Strecke.

Die Geschichte läuft weiter über die Neunziger Jahren und endet abrupt, ungefähr zum Millenniumbeginn, mit dem plötzlichen Tod von Eli.

Technische Details

Länge: Der Roman erstreckt sich über ca. 300 DIN-A5 Seiten. Davon widmet sich etwa ein Drittel der Schilderung der Gegenwart. Die anderen zwei Drittel gehören dem Manuskript „Alles was ich über Eli weiß”.

Die zwei zeitlich getrennten Ebenen durchdringen sich fortwährend. Viele der im Manuskript erwähnten Themen finden sich in dem erzählerischen Teil aus New York mehr oder weniger zufällig wieder und liefern so einige AHA-Erlebnisse und Gedankenparallelen, ohne jedoch explizit auf sich aufmerksam zu machen.

Struktur und Aktion

Der Roman unterteilt sich in drei Kapitel. Diese sind jeweils in acht bis zehn Unterkapitel aufgeteilt.

Kapitel 1, „Mamma Mia und die Stadt in den Bergen” enthält die Einführung in Mias´ relativ friedlichen häuslichen newyorker Alltag und erzählt von der Ankunft des Manuskriptes. Durch den Rückblick auf das ruhige Leben in der ehemaligen, rumänischen Heimatstadt entsteht ein Bild relativ sorgenloser Kindheit, trotz traurigen sozialistischen Alltags. Man erkennt dass sich die Reinheit der Jugend und die Freude an das Leben nicht von den Unzulänglichkeiten des repressiven Systems überschatten ließen. Die heranwachsenden Romanfiguren verfügen offensichtlich über genügend innerliche Ressourcen, um die nicht gerade idealen Bedingungen auszublenden.

Kapitel 2, „Die bebende Großstadt” erfasst das schnelle, teilweise oberflächige Leben in der anonymisierenden Großstadt. Ob Bukarest oder New York, sobald man die Wohnung verlässt nimmt das Leben einen viel rasanteren Lauf, die Reize und Verlockungen sind unvergleichlich grösser als in der Geborgenheit des trauten Heims. Im Manuskript erlebt Eli das, was Mia in der Gegenwart passiert.

– Elis´ Bukarest: das Manuskript ermöglicht den Einblick in einer zutiefst maroden Gesellschaft, dessen komplizierte Regeln sehr viel auf Korruption bauen. Für die etwas verträumten, romantischen Hauptfiguren aus der Provinzstadt bedeutet das ein wahrer Schock. Vieles gerät aus den Fugen. Einige der früher erworbenen Werte festigen sich fast bis zur Versteifung, um dem wackligen Alltag einen Gegenhalt zu bieten. Das Studium wird zur Obsession. Es wird bis ins letzte Detail gepaukt, aber auch und bis in die Puppen gefeiert. Die Freundschaft wird auf harte Proben gestellt, so dass die die Hauptfigur und die Erzählerin schmerzhaft fast zu einer einzigen Person miteinander verschmelzen. Die Bergtouren werden immer gefährlicher, die Klettersteige immer extremer, die Sicherheitsmaßnahmen bleiben weg, das Risiko wird erhöht. Erste Freunde fallen der Waghalsigkeit zu Opfer. Die flüchtigen Liebesaffären folgen schnell aufeinander, werden immer oberflächiger. Betrachtet wie durch einen Sieb der Verfremdung werden sie teilweise als wissenschaftliche Experimente durchlebt.

– In Mias´ New York macht das Leben, zumindest auf den ersten Blick etwas mehr Sinn. Mia scheint in New York angekommen zu sein, hat einen liebevollen Ehemann, einen guten Job, ein gemütliches Zuhause. Erst bei näherer Betrachtung, bedingt auch durch die wiederkehrenden Erinnerungen die sich aus dem plötzlich erhaltenen Manuskript ergeben, bröckelt allmählich die perfekte Fassade und erlaubt Einblicke in einem etwas oberflächlichen, konsumorientierten Leben.

Im dritten Kapitel „ Go West! Go East!” fällt in Rumänien mit erschütternden Folgen der Eiserne Vorhang, was dem Ganzen chaotischen Wirbel ein willkommenes Ende setzt. Die Möglichkeit eines Kräftemessens auf Weltebene ist plötzlich keine Utopie mehr. Die Hoffnung auf ein Gesunden der gesellschaftlichen Gegebenheiten im eigenen Land verleiht Flügel.

Mias´ Leben – zwanzig Jahre später – wird ebenfalls kräftig durchgerüttelt. Krankheit, berufliche Auseinandersetzungen, die Wiederentdeckung des Kampfes um Ideale und Freiheit (während ihres Urlaubs in Afrika) stellen sie vor außergewöhnlichen Herausforderungen und zwingen sie, ernster zu werden und schwierige Entscheidungen zu treffen.

Zurück zu Rumänien: Leider, nachdem sich relativ schnell herausstellt, dass die Dauer der Veränderungen in der Heimat wahrscheinlich mehr als ein Menschenleben einnehmen würde, orientieren sich die Hauptfiguren in Richtung Westen.

Die euphorische Phase hält nicht lange an; das gelobte Land erweist sich als imperfekt und enttäuscht in vielen Hinsichten. Da man früher im Ostblock hermetisch isoliert lebte, konnte man zumindest glauben, dass es außerhalb der Grenzen noch eine heile Welt gab, doch dieser Traum ist jetzt geplatzt. Ausgerechnet diese Lüge kippt, um auf absurder Weise das Gleichgewicht wieder herzustellen. Somit verbleiben den ausgewanderten jungen Damen wieder einmal nur noch die inneren Ressourcen, um sich weiter durchzubeißen.

Einzige Ausnahme: die Liebe. Es gelingt den Mädchen, trotz kultureller Unterschiede und widrigen Bedingungen, jeweils den richtigen Begleiter zu finden. Die Ehemänner sind bereit, nicht nur ihre Gefühle zu erwidern, sondern auch an ihrer Seite der ungewissen Zukunft die Stirn zu bieten. Entgegen jedes Klischees zeigt diese Tatsache, dass wenn die Herzen es nicht erlauben ausgetrocknet zu werden, selbst die schlimmste Bürokratie und das kälteste politische Kalkül keine Chance gegen Gefühle haben. („Wenn der Funken der Zuneigung aus den richtigen Augen kommt, und seien es auch unerwartet, ungewohnt blaue, dann liebt man halt und basta!“).

Leider paart sich das private Glück nicht mit der geistigen und mentalen Selbstfindung. Bedingt durch den immer höheren Bildungsweg und ihre eigene Wissensgier erreicht der intellektuelle Stand der Mädchen einen Stau, so dass sich die Heldinnen des Romans gezwungen sehen, eine Zuflucht auf einer höheren spirituellen Ebene zu suchen. Das Studium erweist sich als sinnlos, ja tatsächlich verblödend. „Weiterstudieren wäre reine Energieverschwendung“, denkt Eli, denn das offensichtliche Ziel der Ausbildung besteht darin, sie für eine berechnende Gesellschaft fit zu machen, der sie sowieso nicht angehören möchte.

Hintergründe (spirituelle und psychologische)

Die Entwicklung der Romanheldin Eli registriert einen qualitativen Fortschritt durch die Erweiterung des Blickes außerhalb der eigenen, engen, relativ streng durch Traditionsdenken geprägten Weltanschauung. Der ursprünglichen Flucht nach Westen setzt sie einen Gegenpunkt, indem sie sich mehr und mehr der östlichen Philosophie widmet. Anstelle von Heidegger tritt immer mehr Dalai Lama und der Buddhismus auf dem Programm, anstatt Alpen schielt sie immer öfter in Richtung Himalaya und Nepal.

Das Himalaya-Massiv wird immer mehr zum Symbol der höheren Zielsetzung. Durch ihre Reise dahin erklimmt sie körperlich diese Hürde. Anschließend, durch das Studieren der Heiligen Schriften in Sanskrit erreicht sie auch die gewünschte geistige Höhe. Doch damit ist sie sich immer noch nicht sicher ob sie den richtigen Weg gewählt hat.

Plötzlich spielt das Erreichen der Ziele nicht mehr die wichtigste Rolle. Sie stellt sich die Frage nach dem Sinn ihres vertikalen Rennens, ihr Blick richtet sich von nun an mehr nach innen. Das Erreichen der Ziele ist nur noch Nebensache. Ab jetzt zählt das Begreifen; Verstehen und verstanden werden gewinnen an Priorität.

Elis´ Suche verwandelt sich in einem Rennen gegen die Zeit. Fasziniert von den Harmonie des Buddhismus, flüchtet Eli innerlich vor einer auf sie immer befremdlicher wirkenden Welt und isoliert sich allmählich von ihren ehemaligen Freunden. Sie nimmt Abstand von den Werten, die ihr in den Jugendjahren so viel bedeutet hatten. Die Falle der Entfremdung schnappt zu.

Im Gegenteil zu Eli, gelingt es Mia, in der „schönen heilen“ westlichen Welt zumindest zum Anschein Fuß zu fassen. Durch das Lesen des Manuskriptes, lernt sie mit ihren verdrängten Gefühlen besser umzugehen. Sie schafft es spielerisch, fast unbewusst, aus ihren früheren Erfahrungen wertvolle Veränderungen für ihr Leben abzuleiten und nutzt diese, um sich langsam ein erfülltes Leben aufzubauen. Mit ihrer Vergangenheit schließt sie anscheinend den lange ersehnten Frieden.

Die Erlebnisse im Präsens passieren in einem sehr hohen Tempo. Mias´ Alltag gleicht einem manchmal mörderisch schnellen, hollywoodreifen Rennen. Ganz nebenbei trainiert sie noch für den newyorker Marathon. Der rasante Rhythmus des amerikanischen Lebens wirkt erfrischend und aufregend, bildet einen starken Kontrast zum langsamen, gediegenen Stil der immer wiederkehrenden Rückblende des Manuskriptes, welches sich zwischen den Kapiteln der Hauptgeschichte schlängelt. Der Osten und der Westen, die Vergangenheit und die Gegenwart müssen sich auch aus Geschwindigkeitsgründen aufeinander einstimmen.

Die Synopse dieser zwei so unterschiedlichen Welten bietet trotzdem eine mannigfaltige Anzahl an Überschneidungen. Es ergeben sich zahlreiche Ähnlichkeiten zwischen den verschiedensten Schicksalen, die Romanfiguren äußern nicht immer übereinstimmige Meinungen zu verschiedenen Themen, (Fremd-) sprachliche Spielereien und lustige Zufälle lockern das Ganze auf.

In Anbetracht der Ausschöpfung ihrer „irdischen Wege” überrascht Elis Tod den Leser nicht wirklich. Nicht so ergeht es den Romanfiguren, die ihre Freundin Eli in den letzten Jahren in einer sicheren, geborgenen Welt wähnten. Das schlechte Gewissen macht sich bei einigen breit. Durch die selbstgewählte Isolation scheint Eli bis über den Tod hinaus die Kontrolle über ihr Leben behalten zu haben. Einige nehmen ihr das übel.

Den übrigen Freunden bleibt nichts anderes übrig, als zu versuchen, sich aus dem undurchsichtigen Labyrinth ihres Lebens einen Reim zu machen. Das Quadratchen schafft es auf ihrer Weise, indem sie in der Biographie „Fast alles was ich über Eli weiß“ das festhält, was ihr noch an Erinnerungen geblieben sind. Als letzte Hommage an ihre verstorbene Freundin, die ein Faible für Mathematik hatte, erfindet sie eine geometrische Darstellung, die an die vielen (unsichtbaren) Schichten jeder Betrachtung erinnert. In Anlehnung an die in der Mathematik bekannte „Schätzung der kleinsten Quadraten“ und als Hommage an eine ungewollt lustige, falsche Übersetzung aus ihrer gemeinsamen Studiumszeit, macht sie eine Anspielung auf ihren Kosenamen und nennt diese Erfindung Die Quadratchenschätzung.

Der Titelwahl ist gewollt verspielt und verniedlichend. Damit wird angedeutet, dass es eine schier unendliche Anzahl von Methoden gibt, die Welt zu erforschen und zu erklären, doch im Grunde bleibt die Tatsache, dass man sich überhaupt Fragen stellt und eine geltende Lösung anstrebt, als einziges Ding das zählt.
Am Ende geht es kaum noch darum, herauszufinden ob das Leben der Hauptfigur ein gutes oder ein schlechtes Ende gefunden hat. Die Geschichte schließt sich ohne die Chance auf eine eindeutige Antwort. Darüber nachzudenken macht jedoch Sinn.

Die zwei Unbekannten, die Hauptfigur X und die Erzählerin Y, sind immer noch schwer zu erfassen. Der Stoff reicht für einen Roman. Oder für eine komplizierte mathematische Formel.
Die Botschaft:

Vielleicht gibt es am Ende doch noch eine Lösung. Die Gleichung bleibt offen.

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