Gedanken zu den Gedichten des Autors Günter P.J Schliemann

Paul Schliemann (3.v.r) inmitten der Literatur- und Kulturfreunde Costa Blanca, unter der Leitung von Natascha Michnov (3.v.l.)

Wenn ich hinter meinem Steuer sitze und die Welt entspannt anlächele, dann liegt es womöglich an der HörCD des Poeten Paul Schliemann, dem ich so gerne beim Autofahren lausche. Seine wunderbaren Versen und seine wohlklingende Stimme füllt mein Herz mit Zufriedenheit und Freude. Dann macht alles für mich nicht nur einen Sinn, sondern einen guten Sinn und plötzlich ist die Welt wieder in Ordnung: die Landschaft besonders attraktiv, die Menschen viel netter, das Wetter optimal, wenn aus den Lautsprechern meines Autos – eigentlich eher „Leisesprecher” im Falle dieser CD –  sanfte Worte und liebliche Melodien rieseln.

Gesiebt durch Lyrik gehen meine Gedanken auf einer Reise, die ich nur ungern unterbrechen möchte und die Hektik verdampft, der Weg wird zum Ziel. Ich glaube, allen Menschen sollte man ab und zu eine Prise Poesie aus Paul Schliemanns´ Werke verabreichen, denn sie wirken Wunder. Der Poet sät Wünsche, erntet Worte, füttert das Auge, ja, er verändert die Welt, aber er tut es auf einer feinfühligen, geschmeidigen Art, die uns Allen gut tut und Wunden heilen lässt!

Natürlich kann man seine Gedichte auch in seinen Büchern lesen (Hinaus mit den Schiffen möchte ich ziehen und Ach, hätte ich doch auch noch Flügel). Es sind, wie der Autor selbst sagt, in Gedichten gepackte Geschichten. Sie beflügeln die Phantasie und zeigen Dinge, die wir in unserem Alltag viel zu oft übersehen, Facetten des Lebens die uns zum Staunen, Schmunzeln oder Nachdenken animieren.

Wie wunderschön poetisch klingen die Verse, die er einem Geschehen am Himmel widmet, dem wir oft gar keine Aufmerksamkeit mehr schenken, die Kondensstreifen!

Kondensstreifen

Durchschnittenes Fernweh

zur blauen Lagune

verblassender Silberpfeil

vom Airport der Träume

Zebrastreifen

zur anderen Seite des Horizontes

weiße Kreuzungen

am Firmament der Phantasie

Sehnsucht

bettet sich in Federwolken

(aus dem Band Ach, hätte ich doch auch noch Flügel, erschienen im Jahre 2003)

Ein ähnliches Beispiel zeigt uns das Wunder eines Lächelns, das uns tief berühren kann und bis auf dem Grund unseres Herzens gelangt.

Der Grundstein

Das Bad in der Menge.

Wohliger Zeitvertreib.

Knisternde Enge.

Leib an Leib.

Stimmengewirr.

Wortfetzen

erreichen das Ohr.

Sie hetzen

Augenblicke vor

sich her.

Und plötzlich

Im Spannungsmeer

  • ein Lächeln.

Sanfte Augen.

Zarter Mund.

Fällt wie ein Stein

auf deinen Grund.

Und der Grundstein reibt.

Und das Lächeln bleibt.

(aus dem Band Ach, hätte ich doch auch noch Flügel, erschienen im Jahre 2003)

Doch nicht alles verläuft so friedlich in Paul Schliemanns´ Gedicht-Geschichten. Auch Böses, wie zuweilen der Mammon oder schreckliche Gewalttaten, die die Welt nicht braucht, lässt er nicht unerwähnt. Da gibt es sogar im Besteckkasten Kriege, die nicht anders als jeder „normale” Krieg ausgehen (wie wahr: auch die besten Plätze sind austauschbar!). Doch es gelingt ihm immer wieder, den Schimmer der Hoffnung auf Schönes und auf Gutes nicht erlöschen zu lassen.

Damit verteidigt er Werte, die manch einer, geblendet durch die Selbstverständlichkeit oder Gleichgültigkeit eines „es war doch schon immer so”, übersieht. Zum Beispiel wenn man ein Gemälde sieht, das blonde Engel darstellt, oder einen Kuss unter Gleichgeschlechtigen beobachtet, denkt man plötzlich an seine Gedichte und fragt sich ernsthaft warum ist denn kein Schwarzer dabei?, oder, kommt es bei der Liebe noch darauf an, ob er seine Frau küsst, oder seinen Mann?.

Den Reim daraus kann und muss sich jeder für sich selbst machen, denn der Autor zwingt niemandem seine Sicht der Dinge auf, aber er schließt davor auch nicht die Augen. Er deutet lediglich darauf hin.

Mit offenen Augen wandert der Poet durch die Welt und findet überraschende Wendungen, sogar dort wo man auf den ersten Blick Verbitterung erwartet. So rührt, zum Beispiel, die Antwort Gottes auf den Vorwurf eines alten, gebrechlichen Mannes, der traurig den Gott, unseren Herrn fragt:

„Früher war neben meine Spur

auch Deine Spur

und ich wusste,

wir sind zu zweit.

Jetzt, wo ich alt bin,

krank und schwach,

da lässt Du mich allein?

Ich sehe nur noch meine Spur.

Ach, sag mir,

warum muss denn das so sein?”

Die überraschend schöne Antwort darauf lautet:

„Schon lange ich mich um dich bemühte,

hör nur zu, mein lieber Mann,

deine Spur ist nicht die deine

du solltest fortan gar nicht klagen.

diese eine Spur ist mein

und seither habe ich dich getragen.”

(Spurensuche, aus dem Band Hinaus mit den Schiffen möchte ich ziehn, erschienen im Jahre 2000)

Dem Poeten geht es oft ähnlich wie dem Schöpfer selbst, oder seinen Engel, die zuweilen unsere Wünsche verfehlen, denn sie Alle verkaufen  nicht die reife Frucht, sondern nur den Samen (aus Wunschsaat, Band Hinaus mit den Schiffen möchte ich ziehn).

Die meisten Verse reimen sich, als ob dies die selbstverständlichste und leichteste Sacher der Welt sei! Doch nur wer selbst einmal zu dichten versucht hat weiß wie viel Arbeit hinter dieser angenehmen Leichtigkeit steckt. Und, natürlich, bedarf es sehr vielem Talent, Geduld und Hingabe, Gaben mit denen Paul Schliemann reichlich beschenkt wurde.

So hat man beim Lesen seiner Gedichte immer das Gefühl, die Worte seien ganz sorgfältig ausgewählt, als ob jedes einzelne davon auf einer feinen Waage austariert wäre. Er gibt uns nicht zu viel und nicht zu wenig davon. Nirgendwo stolpert man über komplizierte Wortkonstruktionen, nirgends befindet man sich abseits der schönen deutschen Sprache, nie hat man das Gefühl, ein Ton sei nicht genau an der optimalen Stelle angebracht.

Diese hervorragende Wortwahl erinnert an die gute alte Tradition des Wilhelm Busch, Joachim Ringelnatz oder Heinz Erhardt, doch Paul Schliemanns´ Gedichte sind modern und bedürfen eigentlich keinem Vergleich. Sie stehen für sich da, vollkommen autark und in einem gut kristallisierten Stil, der dem Autor, und nur ihm, eigen ist und ihn perfekt definiert.

Für besonders gut gelungen halte ich die Schlussverse, die fast immer einen verspielten oder humorvollen Wink beinhalten, der in unserem Herzen nachhallt und unsere Gedanken noch lange fesselt. Ein bisschen ist es so, als ob da noch gar nicht das Ende stünde… damit die Poesie auch in das Leben übergehen darf. Man könnte sagen, Paul Schliemanns´ Gedichte inspirieren sich nicht nur in den Alltag, sie fließen auch zurück, in unser Allen Leben, und bereichern es. 

Jedes einzelne Gedicht des Poeten Günter Schliemann ist ein kleines Juwel – denn keines ist so lang dass man auch nur im entferntesten Gedanken glauben könnte, es sei nicht in einem Atemzug geschaffen. Genauso lesen sie sich: lebendig, bewegend, schnell. Keines gleicht dem anderen; mal reimen sich die Verse, mal eben nicht, weil genau der Fluss der Worte es so verlangt. Damit liegt die Betonung an einer bestimmten Stelle, da wo der Rhythmus bewusst unterbrochen wird. Hier ein wunderbares Beispiel einiger reimlos gestalteten Verse:

„Sturm,
warum bläst du
uns immer wieder
in die Zwietracht?

Damit wir das Vergeben
nicht verlernen?”

(Gewitter reinigen die Luft oder wem möchte ich heute vergeben, aus dem Band Ach, hätte ich doch auch noch Flügel)

Und mal sind es sogar kurze Prosastücke, die meistens an alte Zeiten, oder an eine glückliche Kindheit, oder an einem sonnigen Urlaub erinnern. Wer könnte der Verlockung einer solchen Zeitreise widerstehen? Hier noch ein sehr gelungenes Wortspiel:

zeitlebens sonne

s o n n e n        f i l t e r

t ü t e n k a f f e e

w a s s e r        s p i e l

p l a t z            r e g e n

d a c h              z i e g e l

s t e i n             z e i t

l e b e n s         s o n n e

            Es ist nicht zu übersehen: die Lyrik des Hannoveraners, der gern und oft in Spanien verweilt, wirkt! Aus jeder noch so unauffälligen Alltagsgeschichte macht er ein wahres Fest und begeistert uns nicht nur durch die unerwarteten Gedankengänge, die er in prägnanten Worten zu fassen vermag, sondern auch durch die wohlklingende Melodie der Verse, die er dichtet. Seine Gedanken (ver)dichten auch unsere Phantasie.

Nicht zu vergessen sind auch die delikaten Zeichnungen, die zum Beispiel das Band Ach, hätte ich doch auch noch Flügel illustrieren. Jedes einzelne davon ist eine gelungene Verkörperung einer Stimmung, die sich, dank der feinen Federspitze der Künstlerin Claudia Haldan, auf der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit bewegt.

Als Schlusswort greife ich auf die letzte Strophe meines Lieblingsgedichtes zurück, der erwünschte Körperteil…

„Selbst meine Füße – unermüd´t

laufen über sieben Hügel.

Dennoch – ein Wunsch in mir erblüht:

Ach, hätte ich doch auch noch Flügel!”

…und wage zu behaupten, dass sich hier der Autor ein klein wenig irrt.

Er besitzt nämlich bereits die schönsten Flügel, die man sich je wünschen kann: die Flügel der wunderschönen Poesie, die er uns schenkt und mit der er uns begeistert.

Danke Paul Schliemann!