Leseprobe aus dem Buch „Bolero“

Artikel: Spanische „Apellidos“

„Apellido“
ist das spanische Wort für „Familienname”. Da man gewöhnlich mindestens zwei davon hat, sorgt dies für ständige Verwirrung, denn außerhalb der hispanischen Welt sind es eher die Vornamen, die in der Mehrzahl vorkommen.

Namensgebung ist sowieso eine sensible Sache. Und das nicht nur in Spanien!
Ich weiß noch wie irritiert ich einst darauf reagierte, als ich in Westeuropa zum ersten Mal hörte, dass Namen wie Bernd, Harry oder Lisa durchaus auch offiziell eingetragen werden können. Also nicht nur als Rufnamen?! In meinem heimatlichen Siebenbürgen hatte es bis dahin nur ordentliche, vollständige Taufnamen gegeben, etwa wie Bernhardt, Harald oder Elisabeth.

Doch zurück zu den Spaniern. Bekanntlich betrachten sie mit Stolz und Ehrgeiz ihr einmaliges Merkmal, den Hinweis ihrer Abstammung sowohl väterlicherseits, wie auch mütterlicherseits in ihrem Nachnamen zu tragen. Speziell die Tradition des Weiterführens der mütterlichen Linie pflegen sie mit besonderer Sorgfalt. Selbst die wissenschaftlichen Studien, die bereits bewiesen haben, dass es sich hierbei um eine Erscheinung neueren Datums in der Geschichte handelt – da sie erst seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erwähnt wird, – hindert sie nicht daran, dies als eine Art Adelsstempel im weltweiten Vergleich mit anderen Nationen zu betrachten.

Die am meisten verbreiteten Familiennamen in Spanien geben Hinweise entweder auf einen Beruf, den die Vorfahren ausgeübt haben müssten, oder auf eine Gegend, aus der man stammt. So könnte man zum Beispiel aus dem Namen Pastor Navarro folgern, dass es sich um den Spross einer Pastorenfamilie handelt (väterlicher Seite), dessen Mutter aus der Region Navarra stammt. Oder auch nicht… denn nicht alles kann man zurückverfolgen.

Ein bisschen wie Müller und Meier in Deutschland sind Gonzales und García in Spanien: die am meist verbreiteten „Apellidos“. Da unser Postbote tatsächlich Gonzalo García heißt,  fühlen wir uns besonders geschmeichelt…

Doch im Bereich der Namensgebung gibt es weitere Eigenarten, die aus den Spaniern ein besonders Volk machen. Dass hierzulande jeder anhand einer NIE oder NIF-Nummer, die fürs Finanzamt besonders interessant ist, eindeutig identifiziert werden kann, dürfte mittlerweile kein Geheimnis mehr sein. Doch wussten Sie schon dass die Nummer 13 Niemandem zugeteilt wurde? Ja, in Spanien ist man abergläubig!

Jede Nummer wird nur einmal vergeben und bleibt auf ewig an den dafür bestimmten Menschen haften, selbst wenn er stirbt. Oder war das doch andersrum, mit der Bestimmung der Nummer für den Menschen?

Franco

Wie dem auch sei, die Nummer Eins war von Anfang an die des Diktators Franco, und das ist sie bis heute geblieben. Das kommt daher, weil er derjenige war, der dieses System eingeführt hat, um eine bessere Kontrolle über sein Volk zu haben. Anderseits, spricht diese Tatsache Bände  über seine Selbsteinschätzung…

Der königlichen Familie hat derselbe Caudillo, persönlich, die Ausweisnummern zwischen 10 und 99 zugeteilt. Somit trägt der sich bereits in Rente befindende Juan Carlos die NIE-Nummer 10, während sein Sohn, der aktuelle König Felipe, die Nummer 15 sein Eigen nennt. Ab der Nummer 100 darf sich dann das gemeine Volk tummeln, und das tut es auch, und zwar seit 1944!

Nicht weniger interessant ist es in Spanien um die Vornamen bestellt. Maria steht auf dem ersten Platz in allen Provinzen, meistens in Begleitung eines Anhängsels wie Maria José, Mari Carmen, Maria Angeles, Maria Dolores etc.

Anders als ihre Sprach-Cousins aus Frankreich oder Italien, fühlen sich die Spanier überhaupt nicht von klassischen weiblichen Namen aus der Bibel angesprochen. Selten trifft man hier eine Michaela, Adriana, Emilia, und schon gar nicht Gabriela.

Es häufen sich hingegen Namen die auf die Umstände in Marias´ Leben hinweisen: nach der Empfängnis (Concepción) reist die Unbefleckte (Inmaculada), genannt auch Juwel (Gema), in guter Hoffnung (Esperanza), mit gutem Rat (Consuelo) vom Pfeiler (Pilar) durch Schnee (Nieves) und Morgentau (Rocio) zum Obdach (Amparo), findet dort die Krippe (Belen) und gebärt (Concepción) unter Schmerzen (Dolores) das Kind Jesu. Somit vollbringt sie das heilige Wunder (Milagros), dank der Gnade Gottes (Mercedes). Später begibt sie sich auf Himmelfahrt (Ascension), in Richtung Sonne (Sol) und tritt vor der Heiligen Dreifaltigkeit (Trinidad). Dort steigt sie zum Symbol der Reinheit (Purificación) auf.

Die Tatsache dass all diese Worte manchmal ganz prosaisch klingen, vor Allem wenn man sie als Kosenamen keck abkürzt (Reme, Merce, Pili) scheint niemanden zu stören. Ob weiblich, männlich oder in der Mehrzahl, als Mädchen kann man sich in Spanien nennen wie man will, ohne sich dafür zu klonen oder sich einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen.

Da es üblich ist, zu besonderen Anlässen wie Weihnachten oder Ostern, Szenen aus der Bibel direkt in der Öffentlichkeit nachzuspielen – man denke nur an die berühmten Osterprozessionen, oder an die Ankunft der Heiligen Drei Königen am 6. Januar! – ist es auch nicht abwegig, wenn man sich auch außerhalb des kirchlichen Festkalenders ganz normal auf einen Kaffee mit Milagros (dem Wunder) verabredet, oder sogar einmal die Inkarnation (Encarnación) persönlich trifft.

Sollte die Annahme „nomen est omen” wirklich stimmen, wonach unser Charakter tatsächlich durch unseren Namen beeinflusst wird, dann gäbe es in Spanien Menschen mit beträchtlichen Problemen: Dolores würde viel leiden, Mercedes hätte eine barmherzige Natur und Milagros müsste andauernd Wunder bewirken. Remedios hingegen würde prima zu einer Ärztin passen.

Doch was die Männernamen angeht, ist die Sache ganz anders bestellt. In fast allen 52 Provinzen führen klassische Namen wie José, Antonio oder Juan das Rennen an. Dazu gesellen sich Carlos, Fernando, Manuel, Miguel, Luis und David. Nichts Außergewöhnliches, wenn da nicht der tapfere Jesus wäre, dem nichts Menschliches verborgen bleibt!

Jesus gibt es als Bürgermeister, Polizist, Pfarrer oder Anwalt, aber auch als Popstar oder Inhaftierter. Eben wie im wahren Leben.

Namen die vom Wort „Christ” abgeleitet sind gibt es bei vielen Völkern (Christian, zum Beispiel), aber einen echten Jesus kann man außerhalb des spanisch geprägten Raumes (dazu zählt auch Südamerika) nur schwer finden. Das muss man schon den Hispanos (über)lassen.

Spaß beiseite, Taufnamen sind immer wichtig, egal in welchem Land. In Spanien vielleicht ein bisschen wichtiger als woanders, denn hier behält man seine Namen, solange man lebt. Es ist hier nicht üblich, dass eine Frau den Familiennamen des Ehemannes übernimmt. Somit soll auch verhindert werden, dass sie als Eigentum der angeheirateten Familie betrachtet wird.

Der Nachteil der doppelten Namensführung ist, dass manchmal besonders auffallende Kombinationen entstehen können. Dann ergibt sich plötzlich, zum Beispiel, aus der Paarung eines Mutternamens Pastor Blanco mit einem Vater namens Calvo Torres ein Kind Jesús Calvo Pastor, was so viel wie „Jesus der Schafshüter mit Glatze” bedeutet. Oder genauso gut könnte ein Mädchen Milagros Crespo Lozano heißen, was wiederum durch „Die molligen kraushaarigen Wunder” übersetzt werden kann.

Nummern sind da eher nüchtern zu betrachten, doch auch NIE und NIF können Phantasien anregen. Ich, zu  Beispiel, frage mich immer noch: wenn Franco die Nummer Eins war, und die Königsfamilie ab Nummer 10 offiziell aufgeführt wird, wem gehören dann wohl die Ausweise mit den Registrierungsnummern zwischen 2 und 9?

zurück

„Apellidos“ in der CBN

Apellidos

Erschienen auch in
Costa Blanca Nachrichten Nr. 1783
16. Februar 2018