Germain Droogenbroodt
„Poet auf drei Kontinenten“
Präsident der Kulturstiftung ITHACA aus Spanien, vielfach ausgezeichneter belgischer Poet und Förderer moderner internationalen Lyrik.
Germain Droogenbroodt ist sowohl als Gründer und Koordinator der Initiative „Gedicht der Woche“, wie auch als Organisator der berühmten poetischen und musikalischen Freiluftkonzerte der Costa Blanca, die jeden Sommer im spanischen Altea stattfinden bekannt.
Interview mit Germain Droogenbroodt
Interview mit dem vielfach ausgezeichneten belgischen Poeten und Unterstützer internationaler moderner Lyrik, Germain Droogenbrood, Präsident der Kulturstiftung ITHACA – Spanien
1. Gabriela Sonnenberg: Sie kommen gerade aus Paris, wo sie einen bedeutenden Preis für Poesie entgegen genommen haben. Vor einem Monat erhielten sie auch in Italien, gleich im berühmten römischen Kapitol, eine besonders wertvolle Auszeichnung für Ihre Aktivität als Unterstützer und unermüdlicher Übersetzer guter Poesie. Welche Bedeutung hat die steigende internationale Anerkennung für Ihre Arbeit?
Germain Droogenbroodt: Ach, es wäre „hypokritisch“ zu sagen, dass ich mich darüber nicht freue, denn welcher Lyriker oder Schriftsteller wäre nicht geschmeichelt, in einem weltberühmten Gebäude, dessen Namen selbst die Amerikaner kopiert haben, einen Sonderpreis als Auszeichnung für seine Arbeit zu empfangen? Aber auch die dankbaren Emails, von Lesern aus der ganzen Welt, davon auch jede Woche aus Rumänien bereiten mir Freude, denn ich tue es ja nicht für meinen eigenen Ruhm, sondern um etwas, wenngleich auch nur ein wenig, für ein besseres, humanistisches Verständnis der Anderen zu tun. Ich bin kein „Selfie“, habe noch nie selbst ein Bild vor mir gemacht, und es erstaunt mich immer wieder wie mache Lyriker gleich am Abend eines Festivals ihre selbstgemachten Fotos mit selbstgemachtem Lob an ihre Fake Book Friends schicken. Die Tatsache dass ich in Paris erneut einige Personen für das Project „Gedicht der Woche“ begeistern konnte – demnächst kommt wohl das Gedicht wahrscheinlich auch auf Polnisch, Ungarisch und Hebräisch heraus – halte ich eigentlich für wichtiger als den Preis der EASEAL (Europäischen Akademie der Wissenschaft, Künste und Literatur).
2. Gabriela Sonnenberg: Wie begann das Projekt „Poesie der Woche“? Seit wann besteht diese Initiative und in wie vielen Sprachen wird momentan übersetzt? Wie viele Mitarbeiter haben sie für das Projekt eingespannt und in wie vielen Ländern wird das Gedicht wöchentlich verschickt?
Germain Droogenbroodt: Vor 520 Wochen wurde ich vom Herausgeber der in Spanien (meine Wahlheimat) erscheinenden Wochenzeitschrift Hallo gebeten, jede Woche ein gutes, kurzes, Gedicht mit Illustration auf Niederländisch zu liefern. Nicht hermetisch oder unverständlich, wie es leider auch viele Gedichte gibt, denn die Absicht war es, die Lesern die nie ein Gedicht lesen, dazuzubringen, also sie nicht abzuschrecken. Ein flämischer Leser fragte später, ob ich diese schönen Gedichte auch auf Englisch und auf Spanisch übersetzen würde. So erhielten es auch meine ausländischen Übersetzer, dabei auch meine rumänisch-deutsche Freundin, die Autorin Gabriela Sonnenberg. Da ich jährlich zu mehreren internationalen Lyrikfestivals eingeladen werde, konnte ich immer mehr Personen für das Projekt begeistern. Zur Zeit wird das Gedicht der Woche in 20 Sprachen übersetzt, aber wenn die Personen, die vorige Woche zugesagt haben, es auch tun werden, dann wird das Gedicht jede Woche in 23 Sprachen übersetzt. Ich verschicke es selbst per E-Mail auf Chinesisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Rumänisch, Spanisch an etwa 10.000 Leser in der ganzen Welt. Die Mitarbeiter schicken es zu ihren Kontakten weiter, auf Arabisch, Farsi, Griechisch, Japanisch, Katalonisch, Koreanisch, Kurdisch, Makedonisch, Portugiesisch, Sizilianisch, Türkisch, Ukrainisch. Es wird auch jede Woche auf mehreren Websites publiziert, nicht nur auf die von POINT Editions (Englisch, Spanisch, Niederländisch) sondern auch auf einer japanischen, einer katalonischen, zwei italienischen und auf mehreren rumänischen Websites.
3. Gabriela Sonnenberg: Welche Zukunftspläne haben sie für das Projekt „Gedicht der Woche“ vorgesehen? Gibt es noch Ausweitungspotential? Wenn ja, in welcher Richtung?
Germain Droogenbroodt: Das Wählen der Gedichte und einer passenden Illustration, die Übersetzung und die Kontakte mit den Mitarbeitern kosten mich mehr als 2 Tage pro Woche, dazu kommen immer wieder neue interessierte Personen dazu. Vorige Woche drei, die meistens in verschiedenen Sprachen um Auskunft bitten. Regelmäßig bitten die Übersetzer auch um Auskunft über ein Gedicht, ich bekomme jede Woche Angebote von Lesern, die mir ihre Gedichte schenken und sie gerne publizieren möchten. Also ich selbst habe keine Zeit für mehr Arbeit. Aber die Idee ist wie ein Schneeball, das Projekt wird immer grösser, internationaler, was auch das Ziel war, mit Poesie alle Grenzen, welche auch immer, zu überschreiten, eine humane Brücke zu bilden. So wird das Gedicht der Woche sowohl auf Kurdisch wie auch auf Türkisch übersetzt und publiziert. Die Welt wäre friedlicher wenn Politiker wie u.a. Erdogan und Trump unsere Ziele verfolgen würden.
4. Gabriela Sonnenberg: Sie sind auch Vizepräsident der Rumänischen Akademie Mihai Eminescu aus Craiova. Welche Verantwortung tragen sie im Rahmen der Veranstaltungen, die unter der Schirmherrschaft dieser berühmten kulturellen Institution stattfinden? Welchen Platz nimmt Rumänien in ihrer internationalen Aktivität ein?
Germain Droogenbroodt: Ich wurde ursprünglich als Lyriker zu dem von der Mihai Eminescu organisierten internationalen Lyrikfestival Festival in Craiova eingeladen und bekam dort ,als Poet, den Grand Prix Eminescu überreicht, aber auch, in meiner Eigenschaft als Förderer der internationalen Lyrik, die Eminescu Medaille. Ich habe ja selbst ein Paar Festivals organisiert und organisiere hier jedes Jahr auch die Poetischen Abendkonzerten von Ithaca, weiß also was es an Mühe und Schweiß kostet, ein gutes und perfekt organisiertes Festival wie das in Craiova zu organisieren. Dr. Professor Ion Deaconescu ist ein großer Organisator, unsere Ziele sind recht ähnlich, auch wenn wir nicht immer einverstanden sind. Da er nicht mehrsprachig ist und deswegen nicht die internationalen Kontakten hat, über die ich verfüge, ist eine Zusammenarbeit, die sich im Großen und Ganzen auf Empfehlungen, Kontakte, Übersetzungen beschränkt, sehr nützlich, auch wenn er mich öfters zu noch mehr Arbeit ermutigt. Aber ich fühle mich in 3. Reihe besser als in erster. Ich habe noch nie ein Selfie von mir gemacht und habe es auch nicht vor. Andererseits versuche ich den guten internationalen Ruf des Festivals zu stärken, vor allem durch die Einladung wichtiger Lyrikern aus der ganzen Welt. Voriges Jahr waren sie fast der Hälfte der eingeladenen Poeten des Festivals.
5. Gabriela Sonnenberg: Gibt es auch andere Poesie-Festivals bei denen sie mitwirken? Wenn ja, welche, in welchen Ländern?
Germain Droogenbroodt: Da ich sowieso mit meinen vielen poetischen Aktivitäten zu viel tun habe versuche ich mich aufs Wesentliche zu beschränken. Obwohl ich eben den Lyrikpreis von der European Academy of Sciences Arts and Literature in Paris erhielt, musste ich das Angebot, Mitglied zu werden, dankend ablehnen. Jedoch, da der Verantwortliche für Literatur einer meiner Lyriker-Freunde ist (er möchte meine Gedichte ins Ukrainische übersetzen) werde ich versuchen, ihm soviel wie möglich behilflich zu sein. Zu den Organisatoren des internationalen Festivals von Granada, Nicaragua und des Festivals von Medellín – wohl das faszinierendste Lyrikfestival der Welt – pflege ich auch einen freundschaftlichen Kontakt. Ihnen empfehle ich oft verschiedene Lyriker. Ich bin Mitgründer des JUNPA (Japan Universal Poets Association) von Kyoto, ich war auch Generalsekretär des Congreso Internacional de Literatura von Valencia, des World Congress of Poets… Aber ab und zu will ich auch ein wenig Zeit für das Schreiben meiner eigenen Lyrik reservieren, auch wenn immer viel zu wenig übrig bleibt.
6. Gabriela Sonnenberg: Sie reisen oft, meistens eingeladen auf Poesie-Veranstaltungen, auf allen Kontinenten. Man könnte sagen, sie sind ein Poet der drei Kontinente: Europa, Asien und Amerika. Wann und wo finden sie Zeit, um Ihre eigenen Gedichte zu schreiben?
Germain Droogenbroodt: Ja, 95 % meiner Zeit verwende ich eigentlich für die Förderung anderer Lyriker. Meine Freunde (und Frau) sagen es immer: „Dichter, schreib deine Gedichte!“ Da meine Gedichte eher philosophisch sind, brauche ich absolute Ruhe. So sind alle meiner 13 Lyrikbände in der Einsamkeit entstanden, in verschiedenen Ländern: auf Madeira, im Schloss Hawthornden (2 mal war ich da eingeladen), in einem Schloss in Rajasthan, oder in den Himalaya-Bergen, beziehungsweise in letzter Zeit fast fährlich in einem kleinen Ort am Comersee. Ohne Fernsehen, ohne Internet, ohne Leute.
7. Gabriela Sonnenberg: Sie leiten einen Verlag, POINT – eine Abkürzung der Worte Poesie Internationale – in dem viele Bücher erschienen sind, die mit besonders gut ausgesuchter Poesie in mehreren Sprachen begeistern. Wie viele Bücher und in welchen Sprachen sind bereits in Ihrem Verlag erschienen?
Germain Droogenbroodt: Etwa 90 Lyrikbände, immer zweisprachig, in Original- und niederländischer Sprache. Lyrik aus Argentinien, Bosnien, Bulgarien, Chile, China, Deutschland, Iran, Island, Italien, Korea, Kroatien, Makedonien, Marokko, Mexiko, Nicaragua, Österreich, Palestina, Portugal, Russland, Serbien, Spanien, Taiwan…
8. Gabriela Sonnenberg: Zusammen mit Ihrer Frau gründeten sie vor Jahren die Stiftung ITHACA, die hauptsächlich durch die berühmten poetischen Musikabenden in jedem Sommer im spanischen Altea, an der Costa Blanca Begeisterung hervorruft. Wie viel Arbeit steckt hinter diesen außergewöhnlichen Konzerten, die mit Auftritten der besten klassischen Musikern glänzen?
Germain Droogenbroodt: Es kostet mich wohl 6 Wochen, weil ich jede Woche für die Zeitschriften und unsere Kontakte Information in 5 Sprachen über die Konzerte und die Musiker schreibe, dazu noch ich selbst jedes Mal in 5 Sprachen dem internationalen Publikum willkommen heiße und immer 5-6 kurze Gedichte in 5-6 Sprachen vorlese (statt einer Pause, damit das Publikum auch Lyrik „eingelöffelt“ bekommt und liebgewinnt!). Es findet jedes mal auch eine Ausstellung eines bekannten Malers statt und nach dem Konzert werden Häppchen und Getränke angeboten (was meine Frau schon sehr beschäftigt). Aber die Fans kommen nicht nur von bis 60 km Entfernung, sondern auch aus Madrid, Deutschland, Paris. Die Kombination ist wirklich einmalig: die besten Musiker aus Spanien und von außerhalb, eine Handvoll Gedichte in den Muttersprachen, eine Ausstellung und das alles an einem der schönsten Orte Spaniens. Die Besucher sind nicht nur zufrieden, sondern glücklich, das Ganze miterleben zu dürfen.
9. Gabriela Sonnenberg: Zum Abschluss, möchten sie vielleicht etwas betonen, was Ihnen besonders am Herzen liegt, vielleicht eine Botschaft an unsere Leser, ein Gedicht oder ein Motto, wodurch sie sich inspirieren und leiten lassen.
Germain Droogenbroodt: Was ich zu sagen habe, sage ich ducrh meine Gedichte. Was mir am Herzen liegt? Ich mache mir Sorgen, daß etwa 40 VIERZIG ! Personen genau so viel Geld haben wie die Hälfte der armen Leuten unserer Welt, Menschen die mit weniger als 2 Euro über den Tag auskommen müssen. Und die Reichen denken immer nur daran, noch mehr Geld zu haben, anstatt es mit den Anderen zu teilen. Und ja, die Macht der sogenannten „social Media“, die überhaupt nicht sozial sind, sondern schlimmer als den Kommunismus (den man merkte), denn das Gehirn des Menschen wird gewaschen, beeinflusst und versklavt. In Paris sagte ein Türkischer Lyriker, als er seinen Preis entgegen nahm, dass er sich nur dann wirklich über seinen Preis erfreuen könne, wenn das Bomben der Kurden von der Erdogan-Armee aufhören würde. Der Applaus der anwesenden internationalen Lyriker war – zur Ärgernis des türkischen Lyrikers – sehr schwach, denn die Meisten waren damit beschäftigt, ihre Selfies auf ihren Fake Books hochzuladen.
Wenn zum Schluss noch ein Gedicht erwünscht ist, dann vielleicht dieses:
Friedvoller Morgen im Himalaya
es ist
als hätte die vorige Nacht
jeden Durst gelabt
der Tag bricht an mit Licht
und Vogelstimmen
fremd fürs Ohr
in der Ferne
der Zauderklang
einer Rohrflöte
ein Morgengebet
für Shiva, für Buddha
oder irgendwelchen Gott
so friedlich scheint dieser Morgen
als fände nach unendlicher Zeit
die Menschheit endlich Frieden
endlich Rast.
Germain Droogenbroodt, aus „Im Strom der Zeit“, Meditationen im Himalaya
Interview realisiert in Spanien, am 5. Februar 2018
Links: Fundación ITHACA Altea & POINT Editions International